Verfasst von: dieweltderalgen | 22. August 2013

Gastbeitrag / Dr. Annelie Wendeberg: „Der kleinste Huckepack der Welt“

Ab heute gibt es zwei neue Kategorien im Weblog „Die Welt der der Algen“ und darüber freue ich mich besonders! Ich darf Dir nämlich heute den ersten „Algen – Gastbeitrag“ und noch dazu den ersten „Algen – Rekord“, beides verpackt in einem Artikel, vorstellen:

Gastbeitrag / Dr. Annelie Wendeberg: „Der kleinste Huckepack der Welt“ (Erstveröffentlichung: 21.09.2012)

Aber…, bevor wir uns den kleinen Dingen des Lebens zuwenden, möchte ich Dir natürlich die Autorin vorstellen:

Annelie Wendeberg

Annelie ist Biologin und leitet die Arbeitsgruppe „Mikrobielle Ökosystem Services“ am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ in Leipzig. Sie beschäftigt sich (und ihre Arbeitsgruppe) mit Mikroorganismen und ihre Bedeutung für unsere Ökosysteme und damit auch für uns Menschen. Zur Zeit steht thematisch der Abbau von Schadstoffen in Grundwasserökosystemen im Fokus. Als Wissenschaftlerin gehört sie automatisch auch zur schreibenden Zunft, denn die Ergebnisse der Arbeit wollen und sollen ja veröffentlicht sein (http://www.ufz.de/index.php?en=13987).

Darüber hinaus gehört Annelie zu denen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Wissenschaft verständlich und humorvoll zu „erzählen“ und das tut sie vor allem in ihrem Blog „Sciencezest“ beim Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH (http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sciencezest).
Mir gefällt vor allem die Liebe zum Detail! Beispiel gefällig? Hier wird das Zusammentreffen verschiedener „Kulturen“ auf einem Kongress beschrieben:

„Erste Schwierigkeiten entstehen, wenn medizinische Mikrobiologen (Lackschuhe) einem Umweltmikrobiologen (Birkenstock-Latschen) über den Weg laufen und Sachen sagen wie „type II dockerin-containing subunits of the Clostridium thermocellum cellulosome“. Der Umweltmikrobiologe versteht mit größter Wahrscheinlichkeit die Worte „subunits of the Clostridium“. Wenn man das auf die Spitze treiben möchte, könnte man den medizinischen Mikrobiologen mit einem Menschen von Catering (undefinierbare schwarze Schuhe) reden lassen. Der versteht dann „of the“.“
🙂

Tagsüber wird also geforscht, geschrieben und am Haus gebaut. Und nachts??? „Des Nachts bringt Annelie Wendeberg Leute um. Auf dem Papier. Für den KiWi Verlag. …als Krimi – Autorin. Aber das kannst Du ja hier nachlesen: http://www.kronbergcrimes.com.“

Soooooo…
Aber jetzt zu Alge! Viel Spaß mit dem „Kleinsten Huckepack der Welt“! Danke Annelie!!!

Dr. Annelie Wendeberg: „Der kleinste Huckepack der Welt“ (Erstveröffentlichung: 21.09.2012)

Als Anne Thompson vor über einem Jahr auf dem Pazifik Wasserproben sammelte, konnte sie nicht wissen was sich darin verbarg. Heute erschien ihr Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Science und beschreibt das ganz aussergewöhnliche Zusammenleben zweier Mikroorganismen.
In nährstoffarmen Regionen des Pazifik wurden winzige Cyanobakterien – die Erfinder der Photosynthese – huckepack auf winzigen Algen gefunden. Das sensationelle daran: Die Cyanobakterie hat ihre Fähigkeit zur Photosynthese verloren. Bei der Photosynthese wird Lichtenergie geerntet um den CO2-Kohlenstoff in Biomasse umzuwandeln. Alle grünen Pflanzen besitzen Chloroplasten – kleine grüne Zellorganellen die von Cyanobakterien abstammen. Das ist eine ganz alte und ganz lange Geschichte und ich will versuchen, sie in einem Satz zusammen zu fassen: Kleine photosythetierende Cyanobakterie kuschelt sich an Eukaryontenzelle (also die höher entwickelten, komplexeren Organismen) an, kommt irgendwie ins Zellinnere rein und verwandelt sich in einen Chloroplasten und macht fortan Photosynthese für die Eukaryontenzelle. Voila! Die Alge ist geboren. Das ist eine gut belegte Hypothese, aber natürlich hat keiner zugekuckt wie’s passiert ist.
Zurück zu unserem Zwergen-Huckepack. Hier ist also Cyanobakterie auf Alge drauf (und nicht drin). Die Alge hat sogar eine kleine Vertiefung in die die Cyanobakterie schön reinpasst.
Beide hatten die Fähigkeit Licht und CO2 in Biomasse umzuwandeln. Warum haben sie sich gefunden? Was macht den einen so nützlich für den anderen? Und warum sollte die Cyanobakterie ihre Photosynthese-Gene einfach wegschmeissen, wo sie sie doch dringend braucht? Die Antwort scheint einfach zu sein – man musste sparen.
Beide Organismen leben in einem sehr nährstoffarmen Ökosystem. Verwertbarer Stickstoff ist knapp, aber die Cyanobakterie hat die seltene Fähigkeit den in Massen vorkommenden Luftstickstoff zu fixieren und in die eigene Biomasse einzubauen. Trotzdem krepelt man am Limit herum. Warum also nicht im Team arbeiten? Die Alge behielt ihre Photosynthese-Gene und versorgt nun die Cyanobakterie mit fixiertem Kohlenstoff. Die Cyanobakterie kann sich die aufwändige Synthese ihrer Photosynthese-Maschinerie sparen und bietet der Alge im Gegenzug den lebensnotwendigen Stickstoff an.
Obwohl die kleinste Cyanobakterie mit der kleinsten Alge den winzigsten Huckepack der Welt machen, deuten die Daten von Anne Thompson und Kollegen darauf hin, dass die beiden einen wichtigen Einfluss auf den Stickstoffkreislauf der Ozeane haben könnten.
Mein Mikrobiologie-Lieblingsspruch fällt mir da ein: Die Schönheit liegt im Detail (im klitzekleinen).

Druck
Alge (grün) trägt Cyanobakterie (rot)


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